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Roggenvollkornbrot ohne Hefe

Sonntagmorgen. Eigentlich viel zu müde, um zu arbeiten.

Als Bäcker lebt man nicht gesund, aber interessant. Und man sieht Dinge, die Andere nicht sehen. Samstagmorgen, vier Uhr in der Früh. Die Straßen dunkel, leer und still. Noch sind keine Vögel zu hören. Auf der Bundesstrasse die ersten Berufsleute unterwegs. Ich steige aus dem Auto, müde, aber noch aufgekratzt von der Nacht. Plötzlich ein Scharren hinter mir, das Geräusch von Krallen auf dem Asphalt. Ein Dachs kommt aus dem Gartentor gegenüber. Der Wald ist nah, die Wiesen des Friedhofs. Trotzdem habe ich noch nie einen Dachs in der Stadt gesehen.
Sie scheint nicht gut zu sehen. Jedenfalls läuft sie auf mich zu, bleibt erst zwei Meter entfernt stehen, reckt mißtrauisch die Schnauze in die Höhe. Schaut dann nach links und rechts, läuft über die Strasse und verschwindet in der Einfahrt gegenüber. Die kurze Begegnung zweier Nachtarbeiter.

Den Sauerteig ansetzen

Vier Stunden später schaue ich mich noch verschlafen in der Küche um. In der Mehlschublade hinten rechts steht seit Wochen eine offene Tüte mit Roggenschrot. Davor eine mit Vollkornmehl. Beide sollten nicht noch länger stehen. Kurz entschlossen setzen wir einen Sauerteig an, um am nächsten Morgen ein Vollkornbrot zu backen. Es soll ein Brot werden, das ohne die Zugabe von Hefe gelockert und gebacken wird. Wir brauchen also einen lebhaften Sauerteig, mit vielen aktiven Hefen. Dazu führe ich seit Jahren einen Sauerteig, der allerdings die meiste Zeit im Kühlschrank ein unterkühltes Dasein fristet. Um den Ansatz aufzufrischen, nehme ich ihn morgens aus der Kühle und lasse ihn eine Stunde in der Küche stehen, damit er sich ein wenig akklimatisieren kann. Anschließend frische ich den Ansatz mit warmem Wasser und Roggenschrot auf und lasse ihn bis zum Abend stehen. Weil es tagsüber warm ist, aber nicht zu heiß, stelle ich ihn mittags für ein paar Stunden in die Sonne. Dankbar baden die vielen kleinen Helferlein in der Wärme und bescheren dem Teig ein mildes säuerliches Aroma.
Samstagabend, zwei Stunden geschlafen. Wir nehmen einen Teil des Sauerteigs und setzen einen neuen Teig damit an. Das Gefäß mit dem restlichen Sauerteig stellen wir zurück in den Kühlschrank.

Viele Wege führen nach Rom – und zu einem guten Sauerteig

Es gibt verschiedene Verfahren, einen Sauerteig anzusetzen und zu pflegen. Im Grund geht es immer darum, eine Kultur, in der wilde Hefen und Milchsäurebakterien existieren, zu kultivieren und am Leben zu erhalten. Beide sollen den Brotteig lockern und dem Gebäck einen eigenen Geschmack verleihen. Das Ziel ist es, ein bekömmliches Brot zu backen ohne die Zugabe von Industriehefe. Weil gerade das Thema Sauerteig für Brotbacknovizen schwer zu durchschauen ist, möchte ich versuchen, darauf in einem anderen Beitrag im Detail einzugehen.
Die folgende Rezeptur jedenfalls ist erprobt. Privat backe ich seit langem danach.

Der Sauerteig

225 g
270 ml
4 g
50 g
Roggenschrot
Wasser, 50°C
Salz
Anstellgut (reifer Sauerteig)

Aus dem Anstellgut, Roggenschrot, Salz und dem warmen Wasser rühren wir einen Brei. Den lassen wir über Nacht für mindestens 12 Stunden ruhen.
An dem Punkt stehen wir vor einem Problem. Die Sauerteighefen haben es gerne warm. So um die 28°C Raumtemperatur sollen es schon sein. Diese Temperaturen erreichen wir in Bäckerstuben, aber nicht in der heimischen Küche. Reifen wird ein Sauerteig zwar auch bei 20°C. Aber er wird längere Zeit brauchen und auch deutlich saurer schmecken.
Auch unser Sauerteig ist am nächsten Tag von anfänglich 35 Grad auf 20 Grad abgekühlt. Wir stellen ihn deswegen für eine Stunde in ein Wasserbad. Ist die Masse zu fest, rühren wir noch mal 50ml warmes Wasser unter und schlämmen den Ansatz auf. Nach einer Stunde ist er weiter in die Höhe gewachsen und riecht angenehm mild säuerlich.

Der Hauptteig

540 g
170 g
50 g
6 g
2 g
1 g
10 g
ca. 160 ml
reifer Sauerteig
Roggenvollkornmehl
Roggenmehl, Type 1150
Salz
Kümmel, im Mörser zerstoßen
Koriander, im Mörser zerstoßen
Zuckerrübensirup oder Honig
Wasser, 45 °C

Aromastück / Restbrot

Die Zugabe von getrocknetem und gemahlenem Restbrot bringt ein absolutes Plus an Aroma und Geschmack. Klingt wie ein Satz aus der Marketing – Abteilung, trifft aber zu.
Wer also irgendwo in der hinteren Ecke der Brotkapsel einen Kanten altes Roggenbrot übrig hat, kann das sehr gut in dem Teig unterbringen. Dazu 50g Altbrot mahlen und mit der doppelten Menge warmen Wassers verrühren. Eine Stunde quellen lassen, und mit den anderen Zutaten in den Teig mischen. In diesem Fall etwas weniger Wasser in den Teig geben, damit er nicht zu weich wird.

Oder man gibt das gemahlene Restbrot in den Sauerteig. Die 50g sollte man dann von dem restlichen Roggenmehl abziehen. Also 120 g Roggenvollkornmehl statt den 170g wie im Rezept und statt dessen 50g Restbrot einarbeiten.

Den Teig mischen

Wir nehmen nun also den Sauerteig und mischen mitsamt den restlichen Zutaten und warmem Wasser (40°C) einen bindigen Teig. Das Wasser geben wir dabei nach und nach zu. Den Teig mischen wir nur, kräftig zu kneten oder gar zu schlagen müssen wir ihn nicht. Anders als Weizenmehl bilden Roggenteige kein stabiles Klebergrüst aus Eiweißen aus, das ausgeknetet werden will. Den Teig also nur locker zu einem bindigen Teig vermischen.

Teigruhe, Formen, Stückgare und Backen

So gemischt lassen wir den Teig 45 Minuten ruhen. Mehl und Wasser verquellen miteinander. Stärke, Ballaststoffe und Eiweiße werden von den Enzymen des Mehls abgebaut zu Zucker. Den verstoffwechseln die Hefen später und lassen den Teig aufgehen. Sollte der Teig zu feucht sein, machen wir die Hände nass, schlagen den Teig einmal locker zu einem Rechteck zusammen und legen ihn in eine geölte Backform. Meine ist etwa 21cm lang, 11 cm breit und 7 cm hoch. Auf die Teigoberfläche lassen wir es etwas Mehl regnen und verstreichen es.

Nach einer halben Stunde ist der Teig deutlich aufgegangen und es zeigen sich erste Risse an der Oberfläche. Haben sich die Riss weiter vergrößert – etwa 3 bis 4 mm, schieben wir die Form in den 250°C heißen Ofen. Ich besprühe den Teig nicht mit Wasser. Die Oberfläche reißt so rustikaler auf. Nach 10 Minuten reduzieren wir die Temperatur auf 190 Grad und backen das Brot in weiteren 45 bis 50 Minuten zu Ende. Für eine kräftigere Kruste das Brot die letzten 20 Minuten aus der Form nehmen und frei liegend auf dem Backstein zu Ende backen.

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