Monat: November 2021

Vinschgauer Paarlen

Vinschgauer oder Vinschgerl waren unter den ersten Teigen, die ich in meinen ersten Jahren als Bäcker selbstständig anrühren durfte. Wo das Vinschgau liegt oder wie die Gebäcke im Original aussehen, das wusste freilich keiner so genau. Stattdessen wurde ein Sack aufgerissen, der Inhalt, ein dunkles Mehl, in die Teigmaschine gekippt und nur noch Hefe und Wasser zugegeben. Im Original probiert habe ich die Paarlen bis heute nicht. Aber wenigstens haben wir heute den Anspruch, beim Teigmachen nicht mehr auf eine Fertigmischung der Backmittel-Industrie zurückgreifen zu müssen. Die Paarlen Der dunkle Teig wird mit gemahlenem Kümmel, Fenchel und etwas Schabzigerklee abgeschmeckt. Wie stark, ist dabei Geschmackssache. Wer mag, röstet gar Kümmel und Fenchel noch leicht an, um das Aroma der Gewürze noch zu verstärken. Nicht leicht einzuschätzen ist dabei die Konsistenz des Teiges. Er ist sehr weich, viel weicher als ein Brotteig ist. Gerade wenn man meint, der Teig vertrüge keine Flüssigkeit mehr, sollte man noch einen Spritzer Wasser nachschütten. Der Sauerteig 125g135g25g2g RoggenvollkornmehlWasser, 40°CAnstellgutSalz Roggenvollkornmehl, warmes Wasser, Anstellgut und Salz gut miteinander verrühren, abdecken und …

Musberger Schnitzbrot

Es ist ein Freitag im November. Kurz nach vier Uhr sperren wir die Backstube zu und schwingen uns auf die Räder. Das Thermometer zeigt minus zwei Grad. Müde und matt kämpfen wir uns die Landesstraße hoch nach Musberg. Hier trennen sich unsere Wege; ich muss noch zwölf Kilometer weiter Richtung Degerloch. Trotz der Kälte genieße ich die Fahrt über die Felder, den Weg über die A8 bei Leinfelden, vorbei am Fasanenhof und der Kleingartenanlage hinter dem Freibad in Möhringen. Die klare Luft tut gut, nach dem Rauch und dem Qualm der Holzbacköfen. Der Vollmond liegt verborgen hinter Wolken, doch die Wiesen schimmern leicht im Frost. Es ist friedlich und ruhig, die Fenster in den Häusern dunkel und verhangen. Und doch gibt es Menschen, die auf den Beinen sind. Die vielleicht gerade zu dieser Zeit durch die leeren Straßen fahren. Das Schnitzbrot Nächsten Sonntag ist schon der erste Advent, und es ist an der Zeit, wieder das Früchtebrot zu backen. Das Früchtebrot oder Schnitzbrot wird nach den schwäbisch Hutzeln genannten gedörrten Birnen auch Hutzelbrot genannt. Die …

Frankenlaib

Es ist ein Donnerstag, und es ist November. Kalt ist es draußen, die Pullis sind nicht mehr warm genug, und so sitzen wir mit Jacken vor der Backstube der Eselsmühle im Siebenmühlental, rauchen und trinken heißen Kaffee. In der Mühlenstube gegenüber ist es ruhig geworden, die letzten Gäste des Gänse-Essens sind gegangen und Stille senkt sich über den Hof. Irgendwie hat heute keiner was Originelles zu sagen, und so sitzt jeder für sich und guckt hinein in seine kleine, große Welt. Später putzen wir noch die Holzbacköfen. Mit einem Puschel an einer Stange geht man dabei hinein in den Ofen, fährt über die Decken und kratzt den Ruß von der Wand. Eine Drecksarbeit, die aber regelmäßig gemacht werden muss. Nach fünf Minuten sehe ich aus wie ein Schornsteinfeger. Das Gesicht schwarz, Stirn und Wangen voller Ruß, wie mit Kohle eingefärbt. Und auch die Aschekästen unter den Öfen mit dem Abbrand der Woche werden noch geleert. Am Ende sind wir beide froh, wenn das getan ist. Dann nur noch nach Hause, unter die Dusche und ab …

Bauernkrapfen

Wir sind zwar keine rechten Jecken hier in Stuttgart, essen aber trotzdem gerne diese Bauernkrapfen. Am liebsten noch lauwarm und gefüllt mit Quitten- oder Apfelmus. Dabei sind wir froh, dass wir selbst in der Mühlenbäckerei keine Berliner, Kreppel, Fasnachtsküchle oder Krapfen backen müssen. Früher sind wir da lange am Fettbackgerät gestanden und haben stundenlang die Berliner gedreht. Und der Teig kam – wahrscheinlich ist das heute noch in den meisten Backstuben so – als Fertigmischung aus der Tüte. Dabei kann man so einen Krapfenteig gut selber machen. Wichtig ist nur, den Teig gut auszukneten. Nur so kann er später im heißen Öl gut aufgehen. Vorteig 200g150g20g Weizenmehl, Type 550Milch, lauwarmBio-Hefe Hefe in der Milch aufschlämmen und das Mehl unterkneten. Eine Stunde rasten lassen. Der Hauptteig der300g100-110g60g40g25getwas VorteigWeizenmehl, Type 550MilchButterZuckerEigelbSalzZitronenabrieb Aus allen Zutaten einen glatten Teig kneten. Den Teig richtig gut auskneten. Nimmt man am Schluss ein Stück vom Teig ab, sollte er sich mit den Fingern dünn auseinander ziehen lassen ohne gleich zu reißen. Diese in der Bäckerpraxis „Fenstertest“ genannte Methode zeigt an, ob ein …

Kayberger Kümmelkruste

Samstag, nach drei Uhr in der Früh. Müd und matt sitzen wir vor dem Backofen, erschöpft nach vielen Stunden Arbeit in der Bäckerei. Alles tut weh, die Knie, Schultern, Muskeln. Eine Kollegin ist kurzfristig ausgefallen, das bedeutet für uns zwei Stunden Mehrarbeit. Zur Ruhe kommen wir nicht, die Brotfahrer drängen und wollen auf die Straße. Selbst zum Kaffeekochen ist keine Zeit. Das ist bitter, denn ohne kann man nicht kämpfen. Aber wir sind alte Hasen, behalten die Nerven und machen stoisch weiter. Wie gut es am Ende tut, sich einmal hinzusetzen nach zehn Stunden auf den Beinen.Zum Glück sind die Holzbacköfen heute nicht zu heiß. Die ganze Woche schon waren sie überhitzt. Dabei ist so manches Brot verbrannt. Einen Teig mussten wir gar noch einmal machen, so viele Brote waren verloren. Das bedeutet noch mehr Arbeit, noch längere Nächte. Die Kümmelkruste Immer im Herbst waren wir als Kinder ein Wochenende im Weinberg unserer Großeltern väterlicherseits zum Lesen der Trauben. Sie waren Bauern und hatten neben der Landwirtschaft einen Weinberg zu bewirtschaften. Dabei hat es neben …