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Schwäbische Seelen

Seelen sind ein Standard-Gebäck in unserer Bäckerei. Ich kenne sie nur als Dinkel-Seelen. Im Stuttgarter Raum sind die Seelen dünn und lang mit spitzen Enden. Der weiche Teig wird dabei stückweise mit nassen Händen abgenommen und über die Tischplatte in die Länge gezogen.
In Oberschwaben rund um Biberach an der Riß und Ravensburg und auch im Allgäu sind Seelen ebenfalls längliche Gebäcke, aber größer und länger als im Neckarraum. Statt mit den Händen werden sie mit Spachteln abgestochen und auf langen Schießer genannten Geräten in den Ofen transportiert und gebacken. Mein Cousin aus Schwäbisch Gmünd dagegen kennt die Seele als „Briegel“. Sie sind dort kürzer und dicker. Aber ebenso bestreut mit Brezelsalz und Kümmel. Bezug nimmt der Name Seele wahrscheinlich auf den Tag Allerseelen, wenn Anfang November der Toten und Verstorbenen gedacht wird.

Backen mit Dinkel

Beim Backen mit Dinkel sind ein paar Dinge zu beachten. Dinkelmehl nimmt weniger Wasser auf als Weizen und entwickelt ein schwächeres Teiggerüst. Die Teige werden schnell weich und lassen sich nur schwer formen. Oft sind Dinkelbrötchen schon am nächsten Tag trocken wie ein Stein und nicht mehr zu genießen.
Um den Teig fester halten zu können und trotzdem ein saftiges Gebäck zu bekommen, kochen wir eine Art Pudding mit einem Teil des Mehls. Auf diese Weise schnittfest gemacht, bringen wir mindestens ebenso viel Wasser im Teig unter, ohne dass dieser zu weich wird und in die Breite läuft.

Dinkelteige schonend kneten

Das Kleber genannte Eiweißgerüst ist im Dinkel etwas anders aufgebaut als im Weizen und weniger robust. Zu langes und zu kräftiges Kneten zerstört rasch die Struktur des Teiges. Schnell sind die Teige überknetet und laufen dann nur noch in die Breite. Ein weiterer Grund, warum Bäcker den Dinkel eigentlich nicht so mögen. Auch wenn alle das Gegenteil behaupten. Dinkelteige sollten deswegen langsam und möglichst schonend geknetet werden.

Das Mehlkochstück (Pudding)

40g
200g
Dinkelvollkornmehl
Wasser

Mehl und Wasser im Verhältnis 1:5 verrühren und aufkochen lassen. Dabei ständig rühren, bis das Mehl das Wasser bindet. Das Mehlkochstück vor der Verwendung im Teig abkühlen lassen. Wer kein Vollkorn möchte, nimmt stattdessen die gleiche Menge helles Dinkelmehl Type 630.

Der Hauptteig

das
360g
2g
3g
8g
ca 140g
Mehlkochstück
Dinkelmehl, Type 630
Bio-Gerstenmalzmehl, aktiv
Bio-Hefe
Salz
Wasser

Aus den Zutaten kneten wir einen etwa mittelweichen Teig. Dabei erst einmal einen Teil des Wassers zurückhalten und sich schluckweise an die richtige Menge heran arbeiten. Die richtige Konsistenz zu erreichen ist so einfach nicht. Zwar zählen Seelen zu den weichen Teigen. Schnell geraten sie aber zu weich und laufen dann breit. Schmecken werden sie aber auch so.

Das Salz geben wir nicht gleich zu Anfang, sondern erst nach ein paar Minuten in den Teig. Mehl und Teigwasser können so ungestört beginnen zu verquellen. Wahrscheinlich ergibt das später eine gröbere Porung im Gebäck, wenn das Salz nicht gleich zu Knetbeginn das Wasser im Teig an sich zieht. Später jedoch stärkt Salz das Eiweißgerüst des Teiges. Man sieht regelrecht, wie der Teig sich strafft und an Kontur gewinnt. Salzlose Teige werden dagegen weich und laufen rasch in die Breite.

Den Teig in Etappen kneten

Gerade bei Dinkelteigen macht es Sinn, den Teig nicht auf einmal zu Ende zu kneten. Stattdessen unterbrechen wir den Knetprozess, und machen zwei Mal eine Pause von fünf bis zehn Minuten. Wer von Hand knetet spürt dabei, wie sich der Teig in der Zwischenzeit entwickelt. Diese Art schonender Knetung tut dem Dinkel gut, und schont auch unsere Kräfte.

Malz verwenden

In der Bäckerei verwenden wir kein Malz für Brot und Brötchen. Zuhause nehme ich dagegen gerne eine Prise aktives Gerstenmalzmehl für Kleingebäck. Das Malzmehl macht die Krume etwas weicher und gibt ihr einen ganz leicht süßlichen Geschmack. In der Bio-Variante ist Malzmehl ein rein natürliches Produkt. Achten sollte man darauf, ob es sich um enzymaktives oder -inaktives Malz handelt. Enzymaktives Malz hat eine Stärke und auch Eiweiße umbildende Wirkung im Teig. Bei Langzeit-Führungen sollte man damit sehr sparsam umgehen. Ein halbes Prozent – in diesem Fall 2g auf 400g Mehl – reicht aus. Zu hoch dosiert wird die Krume schnell klitschig und ballt sich beim Kauen zu einem einzigen Ballen im Mund zusammen.
Enzyminaktives Malz kann dagegen höher dosiert werden. Das meist Aromamalz genannte Mehl hat keine technologische Funktion mehr im Teig, sondern gibt dem Gebäck eine mehr malzig-süßliche Note.

Bei Backmalz genau hinsehen

Genauer hinsehen sollte man bei konventionellen Backmalz genannten Produkten. Grundstoff ist meist ein inaktives Malzmehl. Das Getreide, meist ist es Gerste, wird auch hier zum Keimen gebracht, getrocknet und gemahlen. Nach dem Keimen wird die Maische auf 80°C erhitzt, um die Enzymeiweiße zu deaktivieren. Sie haben nun keine Stärke umbildende Wirkung mehr im Teig. Unklar ist, inwieweit der Trägerstoff Malzmehl anschließend mit technischen Enzymen angereichert wird. Bekannt ist, dass für Backwaren insgesamt mehr als 200 Backmittel zu gelassen sind. Etliche davon sind natürlich und unbedenklich. Aber längst nicht alle davon müssen im Endprodukt deklariert werden. Weil man davon ausgeht, dass sie während des Backens zersetzt und im Gebäck nicht mehr nachweisbar sind. Darauf sollte sich jeder und jede selbst einen Reim machen und im Zweifel lieber zum Bio-Produkt greifen.

Teigruhe über Nacht

Ausgeknetet rastet der Teig zwei Stunden in der Küche. In der Zeit den Teig zweimal dehnen und falten. Dabei fasst man den Teig an einem Ende, zieht ihn in die Höhe und schlägt ihn über die andere Seite um, so wie man eine Bettdecke legen würde. Das wiederholt man von den anderen Seiten. Der Stoffwechsel der Hefen wird so mit frischem Sauerstoff versorgt. Der Teig wird insgesamt straffer und stabiler. Anschließend ruht die Teigschüssel (abgedeckt mit einem Tuch) über Nacht im Kühlschrank.

Die Seelen formen

Am nächsten Morgen den Ofen vorheizen auf 240°C Ober und Unterhitze. Die Arbeitsplatte leicht befeuchten und den Teig darauf geben. Mit feuchten Händen zu einem Rechteck auseinander drücken. War der Kühlschrank sehr kalt, ist der Teig wahrscheinlich über Nacht regelrecht zusammen geschnurrt. In dem Fall noch einmal eine Stunde auftauen lassen.

Die Fingerspitzen beider Hände zusammen legen und Stücke aus dem Teig brechen. Dabei den Teig mit den Fingern zum Körper hin über die Tischplatte ziehen. So werden die Seelen automatisch in die Länge gezogen. Auf einen Schießer mit Backpapier setzen und mit Brezelsalz und Kümmel betreuen. Bei 240°C heiß backen. Dabei zu Beginn kräftig mit der Sprühflasche nass sprühen. Die letzten fünf Minuten den Ofen auf Umluft stellen und noch einmal in den Ofen sprühen wie bei einem Sauna-Aufguss. Die Seelen werden so noch etwas knuspriger. Backen etwa 16 Minuten.

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  1. Super! Ich habe in der Verwandtschaft gute Allgäuer DinkelseelenbäckerInnen für den Hausgebrauch. Dein interessanter Text gibt eine neue Perspektive. Ich werde das Mal ausprobieren.

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